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Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums

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Inhaltsverzeichnis

Gesundheit erfolgreich digitalisieren – die Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums

Ärztemangel und überlastetes Gesundheitspersonal, die Versorgung des ländlichen Raums, eine alternde Gesellschaft und steigende Kosten für das Solidarsystem – die aktuellen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem sind enorm, vielfältig und komplex. Eine große Chance, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen, ist das Vorantreiben der Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Nutzung der Digitalisierungspotenziale in der Versorgung. 

 

Spätestens seit der Pandemie gibt es in Gesellschaft und Politik einen breiten Konsens, dass Digitalisierungslücken geschlossen werden müssen. Beispielsweise werden Daten im Gesundheitswesen an vielen Stellen erfasst, können aber bisher nicht sinnvoll in der Forschung und Versorgung eingesetzt werden. Denn hierfür bedarf es Standards und Schnittstellen sowie eine funktionierende und flächendeckend eingesetzte elektronische Patientenakte (ePA). 

 

Auch die Frage, wie Ärzteschaft und Patient:innen vom Nutzen einer weitreichenden Digitalisierung überzeugt werden können sowie der Ausgestaltung des bisher sehr restriktiv gehandhabten Datenschutzes sind neben der Lösung von Schnittstellenproblemen offene Flanken, die Digitalisierungspotenziale bisher erschweren­.  

 

Einen Fahrplan für die Umsetzung dieser Themen möchte das Bundesministerium für Gesundheit mit seiner neuen Digitalisierungsstrategie geben.

Was ist die Digitalisierungsstrategie und welche Ziele verfolgt sie?

Anhand der Digitalisierungsstrategie möchte das Bundesministerium für Gesundheit klare Ziele und eine Vision erarbeiten, unter welchen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen die Digitalisierung des Gesundheitswesens gelingen und Digitalisierungspotenziale in der Versorgung umgesetzt werden können.

 

Das Ziel der Strategie wird mit „Vision 2030“ überschrieben. Konkret sollen digitale Innovationen dazu beitragen, „länger gesund zu leben“, „Ergebnisqualität bei stabilen Kosten zu steigern“, „Arbeitsbedingungen zu verbessern“ sowie einen „bedarfsgerechten Zugang zu exzellenter Versorgung“ sicherzustellen. An welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um diese Schlagworte mit Leben zu füllen, soll im Strategieprozess festgelegt werden. 

 

Federführend ist hierbei die Digitalisierungsabteilung 5 des BMG unter Leitung von Susanne Ozegowski. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Dr. Ulrich Kelber wird maßgeblich in die Erarbeitung der Strategie miteinbezogen werden müssen. Dieser kritisierte zuletzt die Datensicherheit des elektronischen Rezepts und der ePA.

 

Ein besonderes Augenmerk möchte das Ministerium auf Versorgungsprobleme und die Nutzerperspektive werfen. Dafür sei man im BMG auch bereit bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens „Pfade, die man eingeschlagen hatte, zu verlassen, wenn es gute Gründe dafür gibt“. 

 

Dies könnte auch einen Neustart von bestimmten Projekten der Telematik-Infrastruktur-Anwendungen der halbstaatlichen Betreibergesellschaft gematik bedeuten, denn Lauterbach selbst bezeichnet z.B. das elektronische Rezept als eine Anwendung, die bislang nicht in die Versorgungsrealität angekommen und deren unmittelbarer Nutzen für Ärzteschaft, Patient:innen und Apotheken noch nicht greifbar sei. 

 

Im Mittelpunkt eines digitalisierten Gesundheitswesens würde auch die ePA 4.0 stehen. Diese soll flächendeckend etabliert und für Forschungszwecke nutzbar gemacht werden. Unabdingbar hierfür ist nach Auffassung des BMG eine Opt-Out-Lösung, sodass jeder Versicherte eine Akte erhält, wenn kein ausdrücklicher Widerspruch erfolgt. Die bereits im Sommer vorgelegte Digitalstrategie der Bundesregierung legte vorab schon das ambitionierte Ziel fest, dass 2025 80% der Versicherten im Besitz einer elektronische Patientenakten sein sollten.  

Wie läuft der Strategieprozess ab? Wer ist beteiligt?

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Der Strategieprozess wurde bereits im April dieses Jahres zum ersten Mal angekündigt. Wiederholt wurde die Notwendigkeit eines partizipativen Prozesses betont, um die Perspektiven vieler Akteure zu berücksichtigen. Verschiedene Beteiligungs- und Dialogformate sollten hierfür eine Plattform bieten:

 

  • Auftaktveranstaltung: Im September 2022 lud Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach relevante Akteur:innen nach Berlin, um gemeinsam den Startschuss und ein sichtbares Signal zum Aufbruch in die gemeinsame Erarbeitung der Strategie zu setzen.
  • Online-Befragung: Akteur:innen des Gesundheitswesens und der Pflege hatten die Möglichkeit, ihre Perspektive und Expertise über ein digitales Stellungnahmeverfahren einzubringen.
  • Experten-Interviews: Das BMG führte vertiefende Hintergrundgespräche mit Expertinnen und Experten aus Versorgung, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Patientenvertretungen. Hierbei wurde insbesondere auf aktuelle Herausforderungen eingegangen, sodass Probleme konkreter gefasst und strategisch thematisiert werden können.
  • Fachforen: Die Inhalte aus der Auftaktveranstaltung, den Experteninterviews und Stellungnahmen wurden schließlich in acht verschiedenen Fachforen („Versorgungsprozesse Gesundheit und Pflege“, „Akzeptanz und Begeisterung der Versicherten“, „Patientensouveränität und Digitale Kompetenzen“, „Regulatorische Rahmenbedingungen“, „Wirtschaftlichkeit und Effizienz, Technologien und Anwendungen“, „Daten, Datenmodelle, Interoperabilität und Architektur“ tiefer diskutiert.

Auch internationale Erfahrungen sollen in die Erarbeitung der Strategie mit einfließen. Hierfür blickt das BMG auf die Länder Israel und Dänemark und deren Umsetzung der Datennutzung und Etablierung einer akzeptierten und genutzten Patientenakte. Die Erkenntnisse aus den Fachforen werden in Eckpunkten zusammengefasst, die wiederum eine Möglichkeit zur Stellungnahme vorsehen. 

 

Am Ende dieses Prozesses wird ein Gesetzgebungsverfahren initiiert, welches die realen Anforderungen an die Versorgung tatsächlich abbildet. Die Ergebnisse dieses Beteiligungsprozesses sollen mit allen Beteiligten reflektiert und in eine gemeinsame Vision sowie konkrete Ziele übertragen werden.

Wo stehen wir gerade?

Zum aktuellen Zeitpunkt wurde sowohl die Online-Befragung durchgeführt als auch die Fachforen erfolgreich abgeschlossen. Nun liegt die Herausforderung darin, die vielfältigen Ergebnisse und Impulse auszuwerten. Schließlich soll die Strategie im Frühjahr 2023 öffentlich vorgestellt werden.

Was wünschen wir uns von der Digitalisierungsstrategie?

Die Forschungs- und Innovationsexpertenkommission der Bundesregierung bescheinigte der Digitalisierung des Gesundheitswesens im März 2022 erneut große Potenziale in Hinblick auf eine qualitativ hochwertigere und effizientere Gesundheitsversorgung, die bisher nicht annähernd ausgereizt werden würde. 

 

Dass digitale Technologien und Gesundheitsdatennutzung die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern und moderne digitale Analyseverfahren weitreichende Möglichkeiten für personalisierte Diagnose und Therapie bieten, ist bekannt. Diese Potenziale wurden in den vergangenen Jahren durch eine fehlende digitale Struktur verschenkt. Corona wurde zum Brennglas für die digitale Schwäche des deutschen Gesundheitswesens.

 

Unsere eigene Erfahrung in den vergangenen zwei Jahren als Software-Unternehmen im Bereich des digitalen Corona-Testmanagements hat uns gezeigt, wie mit einfachen, digitalen und automatisierten Prozessen eine große Wirkung erzielt werden kann. Dank des Technologieeinsatzes im Testmanagement konnten wir eine zeitnahe Testübermittlung sicherstellen und das Ansteckungsrisiko vor Ort bei allen Beteiligten verringern. 

 

Die Reduzierung manueller Dateneingaben erhöhte die Sicherheit und Zuverlässigkeit im Testablauf. Dabei können mit dem Einsatz von Kontaktpunkten auch das Risiko für Neuansteckungen so weit wie möglich reduziert werden. Probatix konnte auf diese Weise einen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Gruppen leisten.


Es bleibt zu hoffen, dass die Digitalisierungsstrategie bestehende Lücken schließen und einen Grundstein für ein optimiertes Gesundheitswesen legen kann, in dem Digitalisierungspotenziale im Sinne des Patientenwohls voll ausgeschöpft werden. Vor allem das Thema Datenschutz muss hierfür neu gedacht werden. Dieser darf im deutschen Gesundheitswesen nicht vorgeschoben werden, um wichtige und sinnvolle Anwendungen zu verhindern. 

 

Daher muss der Mehrwert der Erfassung und Nutzung von Daten z.B. in der Versorgung und Forschung in den Vordergrund gerückt und patientenorientiert entlang der Digitalisierungsstrategie umgesetzt werden. Auch die Überzeugung der Bevölkerung vom Nutzen von Anwendungen wie der ePA ist für die Umsetzung der durch die Regierung gesetzten Ziele elementar und wird uns vor eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe stellen.